Das war die Pandemie
Ich war ein großer Anhänger und Verehrer der Pandemie. Ich gehörte zu denen, die den vielen Ermutigungsappellen folgen wollten. Ich war bemüht, das Beste aus der Situation zu machen. Ich habe darauf vertraut, dass uns dieses unsichtbare Virus dabei helfen wird zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben. Dass wir, reduziert auf das Wesentliche, den alten Gewohnheiten abschwören, dem Wert guter Beziehungen wieder den gebührenden Raum geben, denen, die wirklich wichtig sind für unser Zusammenleben nicht nur Respekt zollen, sondern auch zu einem würdigen Einkommen verhelfen. Ich war mir sogar sicher, das sei nun endlich das verdiente Ende des Kapitalismus. Früh habe ich damit begonnen, anderen dabei zuzuschauen, wie auch sie versuchten das Beste aus dem Schlamassel zu machen. Ich habe unzählige Live-Streams aus Wohnzimmern, leeren Bars und sonnigen Vorgärten gesehen. Lesebühnen, Chorkonzerte und Comedy-Sendungen mit auf den Bildschirm gekachelten Künstlern und Zuschauern. Kurz war ich versucht, daran zu glauben, dass die Krise möglicherweise ganz neuen Formen künstlerischer Darbietungen den Weg ebnen würde. Weil ich ja dadurch, dass ich nirgends mehr hingehen konnte eh eine Menge Geld einsparte, habe ich CDs gekauft, virtuelle Eintritte bezahlt oder ganz einfach gespendet. Eigentlich haben alle in dieser Zeit versucht, das zu machen, was sie immer gemacht haben und haben die Zeit herbeigesehnt, das wieder so machen zu können, wie sie es immer gemacht haben. Alle – die Künstler*innen, die Autoindustrie, die Mütter und Väter, die Metzger, Friseure und Spargelbauern, die Alten und Jungen, die Reisebüros und Fluggesellschaften, die Kinobetreiber, die Kneipen und Gaststätten, die Hoteliers, die Zahnärzt*innen, die Politiker*innen, die Verschwörungsgläubigen, die Obdachlosen … und ich auch. Ich will auch wieder ins Vereinsheim, zum Beispiel. Und weil das so ist, wird es weder was mit neuen Kunstformen noch mit dem Ende des Kapitalismus. Jetzt, wo alle Witze über Corona gerissen sind, wo alle ihre Situation und die der Welt ausführlich beklagt haben, jetzt, wo die Gelder zur Wahrung des Bestehenden zu fließen beginnen, jetzt scheint es an der Zeit zu sein, sich wieder dem Gewohnten und Vertrauten zuzuwenden. Nicht, dass uns am Ende das Corona-geregelte Leben noch zur Gewohnheit wird. Ein paar Fragen bleiben aber doch noch. Haben wir im Rückblick vielleicht doch zu viel geklatscht für all die Systemrelevanten? Nicht, dass die daraus irgendwelche Ansprüche ableiten. Ist es wirklich vertretbar, den Spaß am Leben einzuschränken nur um Leben, das eh keinen Spaß mehr macht zu retten? Muss es wirklich sein, dass so viel Gelder in die Kultur fließen, die eh nur das Vergnügen kleiner Minderheiten bedient? Und … wann spielt der Weiherer wieder in München? |